Freitag, 12.12.2014
Der Tag beginnt, wieder mal, mit einem Krankenhaus-Termin. Eine Computer-Tomographie der Knochen ist jetzt gefragt – Osteo-CT nennt man das. Nachdem letzte Erkenntnisse ergeben haben, dass ich an Knochenmarks- bzw. Knochen-Krebs leide (auch Plasmozytom bzw. Multiples Myelom genannt), ist dies der nächste logische Schritt der Untersuchung meiner Krankheit. Bzw. über den Ausbreitungsgrad meiner Krebserkrankung.
Im Internet hatte ich mich ja über meine Krebs-Erkrankung informiert, um überhaupt etwas zu wissen. Dort kann man auf einer Menge Bildern sehen, wie es aussieht, wenn dieser Krebs sich schon ausgebreitet hat: Es gibt richtige, per Röntgenbild sichtbare Löcher in den Knochen. Ohne gezielt danach zu suchen, sehe ich Bilder von Schädeldecken, die mit Löchern wie bei einem Schweizer Käse aussehen. “Schrotschussschädel” nennt man das. Was für eine absolut entsetzliche Vorstellung!
Aber sicherlich auch ein sehr schmerzhafter Prozess – aber Schmerzen habe ich bisher ja nicht zu verzeichnen. So weit ist es bei wohl doch noch nicht – glaube ich. Will ich glauben!
Trotzdem hat bisher kein Mensch auf der Welt eine Ahnung, ob so etwas auch bei mir zu finden ist. Daher die heutige Untersuchung per Osteo-CT, die man ansonsten übrigens auch zur Untersuchung der Osteoporose genutzt wird.
Um ehrlich zu sein: Als ich mich morgens um halb acht bei heftigem Regen im ungeliebten Regenponcho auf des Rad schwinge, um zum Universitätklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) zu fahren, da huscht mir tatsächlich einen Moment lang eine stille Hoffnung durch den Sinn, dass mich doch bitte wieder der ebenso niedliche, wie freundliche junge Engel betreuen möge, wie vor ein paar Tagen bei der dortigen CT. Meine Lebensgeister scheinen ja immerhin noch ganz gut beieinander zu sein. Macht ja eigentlich nix – ich sehe mir altem Knacker dieses heute mal nach.
Meine stille Hoffnung platzt jedoch binnen Sekunden, als ich dann um Viertel vor acht an der Anmeldung der Röntgenabteilung stehe – und man mir sagt, man habe noch einmal umgeplant, ich würde am CT-Gerät der Notaufnahme untersucht werden. Einen kurzen, kleinen Stich der Enttäuschung spüre ich, dann muss ich mich auch schon auf die kompliziert klingende Wegbeschreibung der Dame konzentrieren.
Immerhin bekomme ich einen Wegeplan mit. Hinter spätestens der zweiten Ecke jedoch bin ich irgendwie schon verloren in dem Dickicht des UKE. Eigentlich bin ich gut darin, Pläne zu entschlüsseln und Karten zu verstehen – aber hier heute morgen scheitere ich kläglich. Das muss ja nicht an dem Plan liegen, vielleicht bin ich selber heute ja nur etwas desorientiert?
Eine aufmerksame Reinigungskraft sieht mich ziellos durch die Gegend irren, fragt freundlich nach meinem Ziel – und schickt mich auf den richtigen Weg. Eigentlich soll ich mich schlicht in einen Wartebereich setzen und warten, aber weder den Wartebereich, noch das CT selber finde ich. Frage hier und da, bin offenbar inetwa auf dem richtigen Weg, stelle mich aber irgendwie dämlich an.
Irgendwann stehe ich dann plötzlich, nein, nicht in dem gesuchten Wartebereich, sondern vor der Crew, die mich hier untersuchen soll. Wie praktisch, da brauche ich den Warteraum ja gar nicht mehr suchen. Zwar werde ich irritiert angeschaut, aber dann auch ohne zu zögern in den Untersuchungsraum mit dem CT-Gerät gebracht, alles geht ganz fix. Ich vermisse die Braunüle im Arm, aber, nein, heute gibt es kein Kontrastmittel. Keine Hitzewallung für mich heute.
Ruck-zuck bin ich ein paarmal auf der Liege durch die Ring hindurch gefahren und die Untersuchung ist fertig – fünf Minuten nach acht, fast könnte ich noch pünktlich auf der Arbeit sein. Ich bitte noch, wie üblich, um das Erstellen einer CD. Dies wird mir zugesichert, dafür werde ich dann zu dem Wartebereich geleitet, in dem ich eigentlich vorhin hätte warten sollen.
Das kann ich jetzt ausführlich nachholen – eine gute Dreiviertelstunde dauert es, bis die CD fertig ist. Nun bin ich doch zu spät, um pünktlich auf der Arbeit zu sein. Macht nichts, die Kollegen fangen an, sich daran zu gewöhnen, dass ich halt “irgendwann” komme und “irgendwann” wieder gehe – dazwischen aber soviel erledige, wie es geht.
Auf der Arbeit angekommen, wird allerdings als erstes einmal – die vorhin erzeugte CD in Augenschein genommen. Ein Kollege darf mit hinein schauen in mein Innerstes. Aus allen Perspektiven. Wir haben ja nicht den Expertenblick, können aber keine Löcher in den Knochen entdecken.
Das sorgt für ein leichtes Durchatmen, ein Fünkchen Hoffnung, immerhin. Vielleicht ist mein Plasmozytom noch nicht so weit fortgeschritten, wie man es befürchten muss? Aber können wir unserem Laienverständnis trauen?
Am Montag habe ich ja meinen nächsten Termin in der Onkologie des UKE – ob ich dann schon mehr über diese Aufnahmen erfahren werde? Oder überhaupt mal mehr?
Nach der Arbeit stelle ich dann überrascht und erschreckt fest, dass bald ja schon Weihnachten ist. Zeit für ein paar Gedanken und erste Erledigungen dazu. Schließlich geht das Leben ja auch weiter, ganz normal!
Am Abend dann betätige ich mich wieder als Schocker – es wird Zeit, meinen Bruder über meine Krebserkrankung zu informieren. Langsam bin ich diese Rolle leid, aber die Einsätze in dieser Rolle werden auch weniger werden. Immerhin.