Freitag, 13.2.2015
23 von 30 Bestrahlungstagen, 41,4 Gray Energiedosis gegen meinen Krebs.
Eigentlich habe ich keine Lust mehr auf all das.
Keine Lust mehr, mich mit meiner Krebserkrankung zu beschäftigen (eigentlich habe ich das Gefühl, das “der Krebs” schon “weg” ist und jetzt nur noch der Sicherheit wegen “nachgebratzelt” wird).
Keine Lust mehr, jeden Tag ins Krankenhaus zu fahren und mir meine Strahlendosis abzuholen (obwohl ich nach wie vor die Station der Strahlentherapie im UKE als sehr angenehm empfinde und meine Lebensretter, die mich da jeden Tag betreuen, mag und sehr schätze).
Keine Lust mehr, von allen als der Kranke empfunden zu werden (obwohl ich es objektiv gesehen ja durchaus bin – und es sehr schön ist, wenn viele Personen aus meinem Umfeld sehr aufmerksam mit mir umgehen).
Keine Lust mehr, mich eigentlich den lieben langen Tag damit zu beschäftigen, Zähne zu putzen, Mund zu spülen, Haut einzucremen, Nase innen wie außen einzucremen, Zahnfleisch einzucremen, Augen einzucremen und zu tröpfeln, Hände einzucremen (obwohl all dies unbestritten hilft und die Nebenwirkungen im Rahmen hält).
Auch ohne, dass ich zur Arbeit gehe, empfinde ich mein Programm als ermüdend. Sowohl geistig, als auch seelisch und körperlich. Die Bestrahlungen sind anstrengend und fordern ihren Tribut.
Eigentlich ist es für mich eher untypisch, wie häufig ich derzeit bräsig vor dem Fernseher sitze und mich berieseln lasse. Wenn ich sonst mal vor dem TV versacke, dann bei gut gemachten Dokumentationen oder auch mal bei Sportsendungen. Dokumentationen überfordern mich derzeit jedoch völlig, ich kann gar nicht folgen, bin abwesend und unkonzentriert. Da bleibt dann eher die seichte Seite der Unterhaltung.
Ob ich jetzt durch meine Krebserkrankung zusätzlich noch mehr verblöde, als zuvor?
Ich werde es erleben.
Und: Sehnsucht habe ich. Nicht, wie im früheren Leben häufig, nach fernen, fremden Welten. Denn eigentlich bin ich ja seit einiger Zeit in einer für mich zuvor völlig fremden Welt unterwegs. Nein, ich habe schlicht und ergreifend Sehnsucht nach Normalität. Aber dieser “Zauber der Normalität” wird in meinem neuen, anderen Leben noch eine Weile auf sich warten lassen.
Wie auch immer: Der Zuspruch und die Aufmerksamkeit von Freunden, Familie und auch Kollegen tut mir einfach gut! Sogar aus Berlin kommt lieber, lang nicht gesehener Besuch angereist. Am Wochenende wird meine Tochter zu Besuch kommen. Meine Chefin meldet sich, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen (und dabei zu erzählen, dass von den fünf Ingenieuren unserer Gruppe derzeit vier krank seien und sie in Schwierigkeiten kommt), auch mein Bruder (sonst nicht sehr aktiv Kontakt suchend) meldet sich regelmäßig.
Als angenehm empfinde ich auch, dass das Wetter nicht mehr so garstig ist. Es gibt zuweilen einen trockenen Frost, tagsüber ein paar Grad plus. Also kann ich sogar mit dem Fahrrad zu den jetzt fast immer morgens zwischen acht und neun Uhr stattfindenden Bestrahlungsterminen fahren. Die Strecke ist zwar lächerlich kurz, mein Tacho zeigt immer und immer wieder exakt 2,57 km Wegstrecke pro Richtung. Aber doch: Ohne zwei Räder unterm Hintern bin ich irgendwie nur ein halber Mensch. Von daher gibt es auch hier eine Verbesserung. Und ich soll mich während der Therapie ja auch an der frischen Luft bewegen.
Eigentlich ist also alles den Umständen entsprechend gut – und doch: am liebsten hätte ich einfach mal eine Pause, von allem. Seit fast einem Dreivierteljahr bin ich vor allem mit mir selber und meinen Krankheiten beschäftigt. Mein letzter Erholungsurlaub liegt fast ein Jahr zurück. Im letzten Sommer hatte ich zwar drei Wochen Urlaub, habe da allerdings eher eine aktive, fast hektische Beschätigungs- und Ablenkungszeit nach meiner fetten Augenoperation eingeschoben.
Ein Urlaub mit einer Mischung aus Aktivitäten und Faulenzen wäre jetzt genau das richtige. Aber nein, das ist nicht in Aussicht! Was sich jedoch inzwischen ergeben hat: Eine Reha-Maßnahme wird sich knapp drei Wochen nach Ende meiner Therapie anschließen. Das ist inzwischen nach ein wenig Hin und Her von einer Sozialstation organisiert worden. Mitte März wird es für mich drei Wochen lang nach St. Peter Ording gehen, an die Nordsee.
Das Ziel einer solchen Reha-Maßnahme wird eine allgemeine psychische Stabilisierung sein, viel Information und körperliche wie auch geistige Aktivierung, ein Fit machen für den Arbeitsalltag. Das ist eigentlich genau das, was ich gebrauchen kann! Den gewaltigen Formularkrieg hierfür werde ich wohl oder übel umgehend in Angriff nehmen müssen, aber ich freue mich sehr über diese Möglichkeit – und auf eine Zeit in St. Peter Ording ab Mitte März!
Bis dahin werde ich sicherlich noch ein paarmal die Frage über mich ergehen lassen müssen, ob ich denn in Skiurlaub war. Der Grund dafür: Mein Gesicht ist mittlerweile rund um meine Nase knallrot. Von den Bestrahlungen rührt mittlerweile eine heftige Hautirritation her. Das fällt allgemein auf. Kinder starren mich unverhohlen an, Blicke von Erwachsenen huschen häufig schnell beiseite, wenn ich meinen Blick schweifen lasse.
Mit fleißigem Cremen lässt sich zwar vermeiden, dass die Haut spannt und schmerzt. Aber die Rötung der Haut bleibt, natürlich. Ich kann damit leben – fühle mich aber irgendwie doch wie ein Brathähnchen. Jedoch natürlich viel besser, als mit einer quälenden Krebserkrankung leben zu müssen. Vielleicht muss ich trotzdem mein weiteres Leben mit Krebs verbringen – die Wahrscheinlichkeit hierfür wird durch die Bestrahlung allerdings geringer. Das wird sich in der Zukunft zeigen.
Jetzt zum Ende zu bitte ich dich “lass dich nicht hängen”. Bei mir waren es am Ende die PNP Polyneuropathien als ich mich ins Bett mit Fieber legte.
Geistig trete ich dir in den Arsch.
Bis zur letzten Minute läuft das Spiel.
Verzeih mir, wenn du dich gekränkt fühlst.
Ich spreche aus Erfahrung.
Ferdi
Hallo Ferdi,
vielen Dank für die an anderer Stelle aufgeführten, zahlreichen Hinweise!
Nein, wieso sollte ich mich gekränkt fühlen. Eine Menge von Deinen Vorschlägen laufen bei mir eh – auch schon vor dem Krebs 🙂 (Joghurt, Tee)
Morgen ist das Spiel dann mit der letzten Bestrahlung vorläufig zu Ende – danach fängt dann die Verlängerung an. Es ist ja nicht vorbei mit Ende der Bestrahlungen.
Aber momentan komme ich, wenn auch etwas mühsam klar!Sorgen mache ich mir momentan vor allem wegen der vielen derzeit kursierenden Viren, in meinem Umfeld und in der Stadt. Eine Infektion könnte ich derzeit nun gar nicht gebrauchen. Aber wird schon alles werden.
Beste Grüße und ebenfalls alles Gute
Dirk