Donnerstag, 30.4.2015
Als der zuständige Arzt in der Reha-Klinik in Sankt Peter-Ording mich zu Beginn meiner Reha-Maßnahme fragte, ob ich denn nach Abschluss der Reha wohl eine Wiedereingliederung in meine Arbeit machen wolle, verneinte ich dies. Eigentlich fühle ich doch recht gut, und einen etwas gemächlichen Einstieg in die Arbeit könne ich mittels meiner vielen Überstunden und der zahlreichen Resturlaubstage doch eigentlich selbst gestalten. Dachte ich zu dem Zeitpunkt. Er akzeptierte dies.
Eine Woche später bereits sah ich dies anders, ganz anders. Ich hatte auf der Reha ziemlich prompt zweierlei gelernt: Zum einen, dass es mir bei weitem nicht so gut geht, wie ich dachte. Und zum anderen, dass eine Wiedereingliederung eine relativ unkomplizierte und sinnvolle Maßnahme ist.
Zum ersten Punkt: Als man mich in der Reha-Klinik zu Beginn der Reha auf ein Fahrrad-Ergometer setzte und mich 20 Minuten lang mit zunächst 80 und dann 90 Watt strampeln ließ, da schoss mein Puls hoch auf über 140 Schläge pro Minute. Ein irrer Wert. Und ich war total und ehrlich schockiert. Ein Dreiviertel Jahr zuvor noch radelte ich fleißig mit dem Rennrad durch die Norddeutsche Tiefebene, beteiligte mich gerne an Jedermann-Radrennen, gerne auch zum Beispiel mal beim Radrennen in Frankfurt mit 1400 Höhenmetern (das traditionell am 1. Mai stattfindet, also eigentlich morgen – allerdings höre ich bis ins Mark erschüttert, dass es wegen Terrorgefahr abgesagt worden ist. Unfassbar!). Bei den Radrennen war ich denn gerne auch mit 200-300 Watt Belastung unterwegs, mit nur etwas höherem Puls, als auf dem Fahrrad-Ergometer. Dort belastet man mich mit ein klein wenig mehr, als Treppensteigen – und ich komme enorm ins Schnaufen. Meine Erkenntnis: Nein, ich bin überhaupt nicht fit! Lange nicht so fit, wie ich eigentlich dachte. Verdammt!
Zum zweiten Punkt: Während meiner Reha in Sankt Peter-Ording gab einen intensiven Informationsblock aus mehreren Veranstaltungen mit dem schönen Kürzel “MBOR”. Dies steht für “Medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation”. Neben anderen Theman wie Arbeitsrecht und Kündigungsschutz, Entgeltfortzahlung oder Schwerbehindertenrecht war eben auch eine berufliche Wiedereingliederung das Thema. Es gab kompakte Informationen über den Sinn und Zweck sowie über den Ablauf einer solchen Maßnahme.
Eigentlich mag ich es gar nicht, mich mit Verwaltungsvorgängen und Formalismen zu beschäftigen und meide dies, wo es nur geht. Aber anhand der hier vermittelten Informationen hatte ich allerdings plötzlich das Gefühl, das eine Wiedereingliederung doch sinnvoll für mich ist, sehr sinnvoll sogar. Und der Aufwand ist nicht so unübersichtlich hoch. Die Erkenntnis nach zehn Tagen Reha: Das Angebot will ich wahrnehmen! Wenn es geht, soll es eine Wiedereingliederung in meinen Beruf geben.
Mein betreuender Arzt bei der Reha fand dieses Umdenken prima und fing unmittelbar an, den Prozess hierfür in die Wege zu leiten. Die Ostertage kamen ein wenig in die Quere, die Zeit wurde etwas knapp – aber alles klappt mit meiner Wiedereingliederung.
Formell wird dies, zumindest wenn man aus einer Reha als Anschlussheilbehandlung kommt, so gehandhabt: Der betreuende Arzt auf der Reha verordnete die Maßnahme. Der Arbeitgeber muss vor Beginn der Wiedereingliederung schriftlich zugestimmt haben, ebenso die Krankenkasse. Man wird für die Zeit der Wiedereingliederung noch krank geschrieben, und erscheint auf der Arbeit mit einer vom Arzt verordneten Zahl an Stunden auf der Arbeit. Wohlgemerkt: noch als arbeitsunfähig. Finanziell trägt die Rentenversicherung die Maßnahme. Und: Da man in dieser Zeit noch krankgeschrieben ist, kann man keinen Urlaub nehmen. Sollten sich gesundheitliche Probleme einstellen, dann kann die Wiedereingliederung unter- oder gar abgebrochen werden.
Das kritische in diesem Prozess ist wohl oft die rechtzeitige Zustimmung des Arbeitgebers. Vielen Arbeitgebern wird die reduzierte Stundenzahl bei einer solchen Maßnahme nicht so recht schmecken. Andererseits: Der Arbeitgeber bezahlt immerhin nichts für die Arbeitsleistung. Der Rententräger bezahlt ja.
Bei mir im öffentlichen Dienst war diese Zustimmung letztlich nur eine Formalie, die rechtzeitig zu leisten war. Und genau dies passierte auch. Meine Wiedereingliederung konnte beginnen. Am 14.4. endete meine Reha, am 16.4. begann meine berufliche Wiedereingliederung.
Zwei Wochen lang habe ich nun vier Stunden am Tag gearbeitet. Und, mein erstes Fazit: Das war genau richtig so!
Okay: Die vier Stunden Arbeit pro Tag ist nicht viel – kann aber ganz schön intensiv sein.
Zunächst allerdings fiel ich sehr weich. Ein Kollege nach dem anderen tauchte in meinem Büro auf, viele zeigten sich sehr erfreut, dass ich wieder da sei. Ach, ich würde ja sooo erholt aussehen! hörte ich öfters. Na klar: Ich war vier Wochen am Meer und dort richtig viel draußen an der frischen Luft. Alle wollen wissen, wie es mir geht, wie die Reha war, wie es denn jetzt mit mir weiter geht, wo denn mein Krebs geblieben ist. Kurz: Die ersten zwei Tage der Wiedereingliederung werden eher freundlich-zugewandt beim Plaudern verbracht.
Aber doch: Hunderte Mails wollen gesichtet und auch bearbeitet werden. Ein Kollege, den nur ich vertreten kann, geht 14 Tage in Urlaub und allein seine notwendigen, täglichen Routine-Arbeiten nehmen drei bis vier Stunden Arbeit pro Tag in Anspruch. Kurz: Ziemlich fix gerate ich mit dem Berg an Arbeit etwas unter Druck. Schneller, als ich gedacht habe. Wie schon geschrieben: Die Tage sind ganz schön voll und intensiv.
Aber doch kriege ich alles recht gut geregelt. Und das macht ein gutes Gefühl. Und die vier Stunden sind für den Beginn exakt das richtige Maß gewesen.
Ab heute nun steht die zweite Stufe meiner Wiedereingliederung an, ab sofort arbeite ich sechs Stunden pro Tag. Auch kein allzu großes Problem, denke ich. Für 14 Tage geht dann diese Phase. Und ich bin hoffnungsfroh, dass alles gut verläuft.
Sollte nichts dazwischen kommen, dann ist bei mir ab dem 14.5. alles wieder ganz normal. Dann ist die Wiedereingliederung beendet, dann ist mein Arbeitsleben wieder in gewöhnlichen Bahnen. Und mein Privatleben?
Und ich glaube, dass alles gut wird – eben auch dank der guten und sinnvollen Maßnahme der Wiedereingliederung.