Montag, 28.11.2016
Fast ist es wie ein Geburtstag: Wie schon im vergangenen Jahr, geht mir auch in diesem Jahr wieder mein “Jahrestag der Krebsdiagnose” als ein irgendwie besonders gelagerter Tag durch den Sinn.
Eine von mir eher flapsig dahergesagte Bemerkung beim Abendessen war es gestern, die mich selber stutzig werden ließ: Ich bräuchte mal eine “Linienbuspause” und es sei hier wohl besser, wenn man vor betreten eines Busses “mit dem Leben abgeschlossen” habe.
“Einen Moment!” – denke ich sofort danach und vermeide die noch flapsigere Bemerkung, dass ich das ja längst hätte… “Mit dem Leben abgeschlossen” – war da was?
Und da war er wieder – der Gedanke an meine Krebserkrankung. Eigentlich ist dieser Gedanke bei mir dauerhaft schlicht präsent. Immer wieder huschen mir Gedanken um meine mehr oder minder vorhandene Erkrankung durch den Sinn. Der Krebs ist noch immer einfach da – gedanklich. Ob auch tatsächlich, ist nach wie vor nicht besser bekannt, als in meinem schon lange zurückliegenden, letzten Eintrag des Blogs. Ein paar Messwerte im Blut scheinen darauf hinzuweisen, dass der Krebs noch irgendwo in mir schlummert. Das ist nicht schön!
Mein Plasmozytom – oder vielleicht ja auch mein Multiples Myelom? – ist schlicht Teil meines Lebens. Macht noch immer Angst – weil ich nicht weiß, was kommt. Aber er macht lange nicht so viel Angst, wie mein täglicher Fahrradweg Arbeit quer durch die Hamburger Innenstadt…
Aber – was war das nur gestern für ein kruder Gedanke? “Mit dem Leben abgeschlossen”??
Zunächst noch kurz zur Situation: Mein Leben läuft in diesem Jahr weitgehend völlig normal ab. Und auf meinem Job hatte ich noch über 20 Urlaubstage, die ich noch bis zum Ende des Jahres “abarbeiten” muss. Also: Ab in Urlaub – denn: Zuhause gesessen habe ich während meiner diversen Krankheitsphasen genug!
Meinen zweiten “Krebs-Jahrestag” verbringe ich also – auf Madeira, bei frühlingshaften Temperaturen und April-Wetter im November. Und bei zum Teil totalen Höllenritten in den Linienbussen von Madeira. Es ist atemberaubend, was die Künstler an den Lenkrädern hier zustande bringen. Und, ja: Es raubt mir den Atem! Und die Nerven! Wahnsinnige Situationen am Fließband erlebe ich hier in den Bussen… Und manchmal habe ich wirklich das Gefühl, dass man vor Besteigen einen Linienbusses hier besser schnell mit dem Leben abschließt.
Gerade heute gab es auf meiner Tour zwei Fahrer, die es mit ihrer “Kunst” ziemlich übertrieben hatten. Einer schaffte es, die auf 30 Minuten angelegte Fahrt auf der Schnellstraße in nur 18 Minuten zu fahren – nie hätte ich gedacht, dass Busse überhaupt so schnell fahren können und von der Überholspur haum runterkommen. Na, und die extrem kurvenreiche Rückfahrt wurde so schnell und aggressiv gefahren, dass ich das ganze (uralte, röhrende und klapperige) Gefährt schon etliche Male wahlweise in den Abhang stürzen bzw. mit entgegenkommen Fahrzeugen kollidieren sah. Auf Dauer kann das kaum gut gehen – dachte ich.
Da gibt es eine kleine Parallele zu einer Krebserkrankung: Auch bei Krebs sollte man, nun ja, nicht gerade mit dem Leben abschließen – aber doch sich damit beschäftigen, dass das Leben enden wird. Man spürt dies selber in seinem ganzen Sein – vielleicht zum ersten Male im Leben wirklich.
Das Sterben, der Tod, das kann – verflucht nochmal! – ein Thema sein bei einer Krebserkrankung! Bei mir war dies noch weit entfernt, glücklicherweise.
Aber doch habe ich mich mit dem Thema Tod beschäftigt, habe vor allem seelisch Dinge geordnet und Klarheiten geschaffen, die vorher nicht da waren.
Aber daraus die Formulierung zu ziehen “Ich habe mit dem Leben abgeschlossen” ist Unfug, blanker Unfug! Mein Leben hat sich zwar nicht total auf den Kopf gestellt – aber vieles ist bewusster (ich bin seitdem so gerne mal ganz bewußt faul), manchmal auch intensiver (auf meinen geliebten Reisen sind meine Sinne viel geschärfter, als früher), einige Ansichten sind revidiert (ich mag z.B. meine Arbeit viel mehr).
Von wegen “mit dem Leben abgeschlossen”!! Pustekuchen! Genau das Gegenteil ist der Fall: Viel stärker, als früher, will ich mehr! Ich will mehr Leben, ich will mehr erleben. Viel klarer und viel bewusster als je zuvor. Das Leben ist so wertvoll – jedes Leben. Und mein eigenes Leben spüre ich oftmals intensiver. Auch und gerade auf meinen Reisen.
Sollen die Busfahrer aber trotzdem mal etwas vernünftiger fahren, hier auf Madeira! Schließlich soll da doch noch was kommen, in meinem Leben. Was auch immer…
Was nach meiner Rückkehr aber zunächst mal kommt, ist meine vierteljährliche Kontrolluntersuchung bei meinem Onkologen. Wer weiß schon, was kommen wird???
Ach ja – noch ein paar aktuelle Madeira-Fotos gefällig? Irgendwann wird es auf meinem schon lange bestehenden Reise-Blog einen umfassenden Reisebericht geben, aber zunächst ein paar Fotos – bitteschön:
Super schöne Fotos 🙂 Du bienst damit mein fernweh. Der blogpost ist schon etwas älter, wie ist es dir in der Zwischenzeit ergangen? Wir kämpfen seit vier Jahren mit dem multiplen Myelom, momentan im 1.Rezidiv. aufgrund der Inhalte deines Blos nehme ich an, dass du das kennst.
Ich komme jetzt öfter vorbei, vieleicht bekommst du wieder List zum Schreiben. Ich wünsche dior alles, alles Gute und noch mehr Kraft
Hallo Ines,
vielen Dank für den netten Kommentar 🙂 Und danke auch für die Nachfrage – bei mir soweit alles prima. Wenn sich bei mir gesundheitlich etwas tut, dann werde ich hier darüber schreiben – und wenn ich nichts schreibe, dann tut sich auch nichts. Was für sich genommen ja auch schon erfreulich ist.
Dir, natürlich dem Helden 🙂 und der ganzen Familie alles Gute!
Viele Grüße
Dirk